Sonntag, 28. August 2011

Heute wäre Maltes 3. Geburtstag

Heute vor drei Jahren, um 10.23 Uhr hat Malte sein eigenes irdisches Leben begonnen, er wurde geboren, im anthroposophischen Krankenhaus Havelhöhe. Uns hat damals schon das Wort „Krankenhaus“ gestört, wir fanden „Gesundmachhaus“ oder „Heilhaus“ würde besser passen. Malte musste per Kaiserschnitt geboren werden, da er zu klein war und sich in Beckenendlage festgesetzt hatte. Eine Woche vorher sollte ich (Kerrin) schon nach Havelhöhe kommen, das hieß jeden Tag CTG, die Herztöne waren nicht so ideal, wie die Ärzte das gerne hätten. Für mich war das sehr anstrengend, befand ich mich doch irgendwie in einer Zwickmühle. Die gesamte Schwangerschaft verlief bis zur Geburt völlig problemlos, ich fühlte mich gut, ich fühlte mich im Einklang mit meinem Sohn und plötzlich sollte irgendetwas nicht stimmen – aber es fühlte sich für mich immer noch alles gut an. Das war ein Widerspruch, den ich für mich nicht so leicht lösen konnte. Damals empfand ich die Ärzte als panikmachend – im Nachhinein weiß ich es natürlich besser.

Eigentlich sollte es um 8.00 Uhr losgehen aber wie das immer so ist, es kam eine dringlichere Geburt dazwischen – also dann erst um 10.00 Uhr. Um 9.00 Uhr wurde ich wieder einmal an das CTG angeschlossen und dann wurden Mario und ich erst mal allein gelassen. Wir beobachteten weiter die Werte des CTG und fanden, dass ein Wert von 80 irgendwie zu wenig erschien, also drückten wir den Knopf und die für uns zuständige Hebamme kam. Wir sagten ihr, dass wir den Wert sehr niedrig finden. In aller Ruhe schaute sie sich den Wert an, drückte hinter meinem Bett auf einen Knopf und plötzlich wuselte es im Zimmer von Ärzten, Krankenschwestern, Hebammen. Alles ging ganz schnell. Ich fühlte mich total bedrängt, weil lauter Menschen um mich herum an mir zogen, mich anfassten, redeten, wild durcheinander liefen – so erschien es mir zumindest und ich verstand immer noch nicht, was hier eigentlich los war. Panik ergriff mich. Ich machte einfach die Augen zu und ließ die Menschen machen. In einer gefühlten Sekunde war alles wieder ruhig. Das Zimmer war plötzlich wieder leer, nur noch der Arzt und unsere Hebamme waren noch da. Ich hatte eine Wehe gehabt, ohne es zu merken und das hatte Malte schon so viel Stress verursacht, dass seine Herztöne heruntergingen. Wir standen kurz vor einem Not-Kaiserschnitt aber dank dem schnellen Eingreifen der Hebamme und der Ärzte konnte mit einem Mittel, dass die Wehen hemmt, noch etwas Zeit verschafft werden. Ich hatte vorher so eine Angst vor den Schmerzen, wenn der Zugang in die Vene in der Hand gelegt wird und durch die Panik hatte ich das nicht einmal gemerkt, bloß das irgendjemand an meiner Hand rumzog, aber was der da machte, merkte ich nicht. Tja, man kann noch so viel planen, es kommt meist anders als man denkt.

Von da an ging alles glatt, zumindest für mich, der Narkosearzt brauchte zwar drei Anläufe bis die PDA endlich Wirkung zeigte aber nach der Panik vorweg, machte mich das jetzt nicht mehr nervös. Mario saß neben meinem Kopf und wir haben „Gyata, Gyate, Paragyata, Parasamgyate, Bodhi Svaha“ gesungen, um uns zu beruhigen. Und plötzlich legte man mir mein Baby auf die Brust. Malte hat uns aus großen weitgeöffneten Augen angeschaut. Und dann war er auch schon wieder weg. 

 

Mario sollte mit Malte schon mal ins Zimmer gehen, während ich noch versorgt wurde. Und dann war es endlich soweit auch ich kam ins Zimmer, zu meinen beiden Männern. Der glücklichste Moment im Leben, wenn man so ein kleines Wesen im Arm liegen hat. Malte wog 2200g und war 42cm lang. Also gut 1kg leichter und 12cm kleiner als der Durschnitt. Malte war von Anfang an was Besonderes. 


Vier Tage nach seiner Geburt, äußerte der Kinderarzt den Verdacht, dass Malte Trisomie 21 haben könnte und weitere fünf Tage später wurde das per Bluttest bestätigt. Natürlich war das für uns ein Schock. Ich denke, die Ärzte und Krankenschwestern meinten wir würden unser Kind jetzt abweisen aber, dass wir unseren Kleinen mit jeder Zelle unseres Körpers lieben stand immer außer Frage, mich hat bloß fertig gemacht, was „die Gesellschaft“ jetzt alles von mir und Malte verlangt. 

 

Ich fühlte mich total unter Druck gesetzt. Wo ist der goldenen Mittelweg zwischen Therapiekind und einfach nur Kind sein dürfen? Für uns war immer klar, wir wollten kein Therapiekind. Wir machen alles was nötig ist aber Malte soll auch einfach nur Kind sein dürfen. In den ersten Tagen hatten wir unzählige Kosenamen für unseren Kleinen, unser Männchen, unsere Mickey Mouse, Malte Maus und unsere Maus blieb dann sein Spitzname. Die ersten Wochen waren nicht leicht, wir mussten Malte jeden Tag wiegen, abnehmen oder stehen bleiben durfte er auf keinen Fall. Zwei Monate pumpte ich fleißig Milch ab und auf den Tag genau mit zwei Monaten konnte Malte an der Brust trinken. Die Nahrungsaufnahme wurde zwar nicht leichter aber dafür wesentlich entspannter.

In unseren Augen entwickelte sich Malte prächtig. Langsamer als Kinder mit nur 46 Chromosomen aber wir freuten uns über jeden neuen Schritt, jede neue Entdeckung. Als Malte dann anfing Brei zu essen und auch mal ein halbes Vollkorntoastbrot aß, dachte ich, jetzt wird alles einfacher, jetzt haben wir die größte Gefahr hinter uns. Ich hatte ja keine Ahnung…